64. Peter Röbke: Nachhaltigkeit – Teil 2
Shownotes
Pädagogische, soziale und ökologische Nachhaltigkeit in der Musikschule hängen zusammen. Im zweiten Teil zum Thema Nachhaltigkeit sprechen Kristin Thielemann und Peter Röbke über das Wolkersdorfer Projekt „Nachhaltige Musikschule“, über die Wissensallmende im Kollegium, das implizite Wissen von Lehrkräften – und darüber, dass nachhaltiges Handeln nichts mit Verzicht, sondern mit einem besseren Leben für uns alle zu tun hat.
Peter Röbke und Musikschule Wolkersdorf: Pädagogische und ökologische Nachhaltigkeit in der Arbeit der Musikschule, https://musikschule.wolkersdorf.at/SuffizienzimLern-Musizier-undBegegnungsraumMusikschule
Im Klang ist das Leben. Shinichi Suzukis Gedanken über die Erziehung, https://noten.music-service-geiger.de/Im-Klang-ist-das-Leben-Shinichi-Suzukis-Gedanken-ueber-die-Erziehung
Andreas Doerne: Musikschule neu erfinden. Ideen für ein Musizierlernhaus der Zukunft, https://www.schott-music.com/de/musikschule-neu-erfinden-no387595.html
Georg Hans Neuweg: Das Schweigen der Könner. Gesammelte Schriften zum impliziten Wissen, https://www.waxmann.com/buecher/?txp2waxmannbuchliste%5bbuchnr%5d=3178&txp2waxmannbuchliste%5baction%5d=show
Peter Röbke: Weiterlernen anders denken. Ein Vorschlag zur Weiterbildung von Musikschullehrkräften und zur Wissensvermittlung an Musikschulen, https://uebenundmusizieren.de/artikel/weiterlernen-anders-denken/
Podcast „Voll motiviert“ #12: Musikschule neu erfinden – Andreas Doerne, https://vollmotiviert.podigee.io/12-andreas-doerne
Podcast „Voll motiviert“ #53: IGP für alle? – Natalia Ardila-Mantilla und Bianka Wüstehube, https://vollmotiviert.podigee.io/53-ardila-mantilla-wuestehube
Website des Verbands deutscher Musikschulen: www.musikschulen.de
Website von Kristin Thielemann: www.vollmotiviert.com
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00:00:00: Peter Röbke: Das heißt Conclusio: Letztlich gibt es einen innigen Zusammenhang zwischen pädagogischer Nachhaltigkeit, sozialer Nachhaltigkeit und ökologischer Nachhaltigkeit.
00:00:11: Jingle: Voll motiviert. Der Musikpädagogik Podcast von Schott Music, dem Verband deutscher Musikschulen und Kristin Thielemann.
00:00:24: Kristin Thielemann: Im sehr spannenden ersten Teil dieses Gesprächs über Nachhaltigkeit im Musikschulalltag mit Peter Röbke, der Folge 63 von "Voll motiviert", ging es um Um- und Ausbau von Musikschulen zu ökologisch, aber auch pädagogisch-künstlerisch nachhaltigen Lern-, Musizier- und Begegnungsräumen. Hier im zweiten Teil geht es weiter mit vielen tollen Ideen, wie die Nachhaltigkeit in den Musikschulalltag Einzug halten kann. Viel Spaß beim Anhören, Kommentieren und Teilen. Wow, lieber Peter, das ist natürlich echt beeindruckend, was ihr da alles geschafft habt in Wolkersdorf an der Musikschule.
00:00:58: Peter Röbke: Und jetzt gibt es auch eine Dokumentation des Ganzen.
00:01:01: Kristin Thielemann: Oh, echt?
00:01:02: Peter Röbke: Also ich hatte so eine laienhafte Vorlage gemacht, weil ich kein Grafiker bin. Und eine in der Gemeinde arbeitende, kompetente Grafikerin mit Geld vom Bürgermeister hat das jetzt in ein E-Book verwandelt. Und das kann man sich auf der Webseite der Musikschule anschauen. Und da hat man dann den Zusammenhang von Unterricht, Communities und Gebäude mit tausenden Fotos und Belegen hat man den abgebildet und die Argumentation ist entfaltet. Und ich traue mich zu sagen, dass jetzt eigentlich alle hinter diesem Projekt stehen, weil es ihre Arbeit betrifft und die Verbesserung ihrer Arbeit und nicht, weil ich ihnen Vorwürfe mache, dass sie zu viel mit ihrem Auto fahren.
00:01:38: Kristin Thielemann: Jawoll, die Dokumentation, die kommt selbstverständlich auch in die Shownotes.
00:01:42: Peter Röbke: Ja, bitte.
00:01:43: Kristin Thielemann: Mensch, ich höre mich immer nur sagen, ich stelle es in die Shownotes, ich stelle es in die Shownotes. Oh, aber ich bin ja schon vorgewarnt worden, dass du extrem viel zu erzählen hast und man bei dir möglicherweise nicht zu Wort kommt.
00:01:53: Peter Röbke: Entschuldigung.
00:01:55: Kristin Thielemann: Nee, alles gut. Es gab doch Folgen, in denen ich genug erzählt habe. Jetzt bist du mal dran, dass alles gut ist. Wirklich sehr spannend, dir zuzuhören.
00:02:02: Peter Röbke: Wie gesagt. Also das tut mir jetzt bisschen leid. Nee, eigentlich gar nicht. Aber egal.
00:02:07: Kristin Thielemann: Na, das hätte mich ja jetzt auch gewundert.
00:02:09: Peter Röbke: Okay. Ja.
00:02:12: Kristin Thielemann: Vorteil: Wenn du viel redest, kann ich viel im Internet suchen. Und ich habe den Bericht auch schon gefunden.
00:02:16: Peter Röbke: Es ist ganz einfach. www.musikschule.wolkersdorf.at. Da findet man das dann.
00:02:23: Kristin Thielemann: Ist notiert.
00:02:24: Peter Röbke: Da ist dieses E-Book. Ja, ja. Okay. Alles klar. Gut, aber das wäre jetzt. Damit wären wir quasi beim Kern des ganzen Projektes.
00:02:32: Kristin Thielemann: Weil von den 200.000 Fahrkilometern der Eltern sind wir nämlich jetzt runter. Denn worüber reden wir in Wolkersdorf?
00:02:39: Peter Röbke: Weil wir reden über die Qualität der pädagogischen Arbeit, der künstlerischen, musikalischen Arbeit, über die Intensität der Arbeit. Wir reden über ein gutes Ambiente für diese Arbeit und natürlich auf dieser Grundlage sind dann so Sachen passiert, dass man jetzt den Eltern Briefe schreibt und sagt: Wenn die Kinder eh jetzt gemeinsam mit der Musikschule kommen, dann bringt sie doch bitte auch gemeinsam. Also je mehr ich mit ihnen gemeinsam was mache, desto eher kann ich jetzt auch die Eltern ansprechen und sagen: Jetzt müsst ich, muss nicht jeder mit seinem Auto alleine kommen oder wir reden. Jetzt haben wir endlich mal einen überdachten Fahrradständer. Den hatten sie vorher nicht so. Ach, also das sind so Kleinigkeiten. Also jetzt Fahrgemeinschaften, Fahrradständer, öffentlicher Nahverkehr oder auch die Frage, die wir noch nicht abschließend beantworten konnten: Wir haben zwei Mittelschulen in der Nähe der Musikschule, was jetzt auch natürlich ideal ist, um auf kurzem Wege von der Schule oder aus der Nachmittagsbetreuung in die Musikschule zu kommen. So aber, da türmen sich im Augenblick noch gewaltige rechtliche Schwierigkeiten auf, weil ich darf zwar die Nachmittagsbetreuung verlassen, aber ich darf nicht wieder zurückkehren. Ja.
00:03:44: Kristin Thielemann: Natürlich. Ja, ein bisschen ähnliche Schwierigkeiten gibt es, glaube ich, mancherorts in Deutschland auch mit dem Ganztag.
00:03:49: Peter Röbke: Völlig idiotisch, völlig idiotisch. Und da haben wir jetzt eine ganze Menge Grauzonenlösungen gefunden, weil das ist ja eigentlich optimal, dass wir Kinder ohnehin geht es in diesem Bereich sind da haben sie Schule, da haben sie Betreuung, da haben sie Musikschule. Das verwebt sich alles miteinander, ist jetzt auch wieder ressourcenschonend. Natürlich. Weil ich ja eh alles dann in dieser einen Lokalität mache.
00:04:07: Kristin Thielemann: Ist natürlich auch ressourcenschonend für die Eltern. Wenn man da in seiner Freizeit nicht gleich noch mal in die Musikschule gondeln muss.
00:04:13: Peter Röbke: Natürlich, natürlich. Ja, also der elterliche Taxibetrieb schont den zu reduzieren schont ja nicht nur die Umwelt, sondern schont auch die Nerven der Eltern.
00:04:21: Kristin Thielemann: Ja, ich sag dir und ich bin froh, dass wir hier einen guten Bahnhof und potente Öffis in der Nähe haben, denn dann können meine Kinder nämlich auch solche Fahrten selbstständig erledigen. Und daran wachsen sie ja dann auch gleich noch mal.
00:04:31: Peter Röbke: Und by the way, weil du das vorhin angesprochen hast, auch dieses, was die Rolle der Lehrer ist. Also wenn du das Gefühl hast, dass du wirklich nur Dienstleistung erbringt und keine keine wirkliche Bildungsleistung anbietest und keine kulturelle Leistung anbietest, das geht gewaltig auf die Berufsmotivation.
00:04:49: Kristin Thielemann: Dann machst du nämlich Dienst nach Vorschrift und mit Dienst nach Vorschrift gewinnst du in den allerseltensten Fällen einen Blumentopf.
00:04:55: Peter Röbke: Und du bist auch fertig nach zehn Jahren, weil du irgendwie ein Kind nach dem anderen erzählt, wie man die Blockflöte richtig hält. Und die dann üben die nicht ordentlich und es entsteht nix. Und das ist furchtbar.
00:05:08: Kristin Thielemann: Ich meine, gerade diese Fließbandarbeit könntest du, muss man ja auch ehrlicherweise mal so sagen, in Teilen zumindest auch an ein YouTube Tutorial auslagern. So: Haltung Blockflöte, Teil 24! Aber wirklich diesen kreativen Unterricht, diese Verbindung, das Eingehen auf mein Gegenüber, diese Wertschätzung, diese Individualisierung, Bedürfnisorientierung, das Finden von wegen, die die Schülerinnen und Schüler nicht nur in der Welt der Musik weiterbringen. Das ist doch mal eine 10/10, Das macht doch Musikschule aus!
00:05:37: Peter Röbke: Super. Und wobei man dann wiederum sagen muss individueller Weg ist immer auch eingebettet in ein Gemeinschaftsgeschehen.
00:05:43: Kristin Thielemann: Ja, ganz klar.
00:05:44: Peter Röbke: Also ich gebe dir ein Beispiel Blockflötenklasse. Die entscheiden oft erst kurz vorm Klassenabend, wo wirklich 60 Kinder und Jugendliche spielen. Was spielen wir denn heute zusammen?
00:05:54: Kristin Thielemann: Okay.
00:05:55: Peter Röbke: Das ist so wie so eine erfolgreiche Band. Also, es gibt eine progressive Metalband Dream Theatre. Die überlegen auch kurz vorm Auftritt: was spielen wir denn heute? Die haben irgendwie 25 Alben gemacht, entscheiden immer kurz davor, was wir heute spielen. Das setzt voraus, dass sie ein gemeinsames Repertoire haben.
00:06:11: Kristin Thielemann: Das Klassenrepertoire. Das ist es natürlich.
00:06:13: Peter Röbke: Wie bei Good Old Shinichi Suzuki. Da haben alle Kinder ein gemeinsames Repertoire gehabt.
00:06:18: Kristin Thielemann: Good old und immer noch aktuell.
00:06:20: Peter Röbke: Und jetzt? Das weiß ja jeder. Wie motivierend ist das für einen 7-jährigen, der sein "Twinkle Twinkle Little Star" darunter kriegt? Wenn der Star, der also der richtige Musikstar, der dann später sein Mozart-Konzert spielt, bei "Twinkle Twinkle" auch mit dabei ist. Das geteilte Repertoire!
00:06:37: Kristin Thielemann: Ja. Und da sind wir eigentlich auch schon wieder beim Thema Notenausgaben, nämlich dass du Notenausgaben hast, wo du auch ein bisschen drin stöbern kannst und sehen kannst: Hey, das ist doch das Stück, was ich jetzt gerade von dem älteren Schüler, von der älteren Schülerin gehört habe. Das möchte ich auch mal ausprobieren!
00:06:50: Peter Röbke: Und das erzeugt Sog. Erzeugt ganz einfach das Motiv. So will ich auch sein!
00:07:00: Kristin Thielemann: Jetzt will ich doch mal ganz kurz die Gelegenheit nutzen und einen kurzen Einschub für euch machen in Sachen Suzuki-Methode. Natürlich muss ich das hier für euch heute nicht in epischer Breite auswalzen, was denn hier die Suzuki-Methode genau ist oder für wen oder warum. Aber ich wollte euch von einem kleinen feinen Büchlein erzählen, was 2020 erschienen ist und was ich mir während der Hochzeit der Corona-Krise einmal zugelegt habe, um darin zu lesen. Seitdem liegt es in meinem Arbeitszimmer. Es heißt "Im Klang ist das Leben – Shinichi Suzukis Gedanken über die Erziehung" und es ist eine deutsche Übersetzung der Originaltexte. Erschienen ist das Ganze im Musikverlag Bernhard Geiger. Stelle ich euch in die Shownotes. Vielleicht ist das was, was ihr euch einmal zulegen möchtet oder euch schenken lassen möchtet. Hat ja gerade Saison das große Schenken. Und während ich das hier anspreche, kriege ich gerade ein ganz schlechtes Gewissen, dass ich in einer Folge über Nachhaltigkeit, übers Schenken spreche. Aber vielleicht fällt ja genau das unter das Stichwort Suffizienz, was Peter Röbke in dem ersten Teil dieser Folge vorgestellt hatte. Wir waren beim klassischen Repertoire stehengeblieben.
00:08:10: Peter Röbke: Insofern ist das so eine Win-win-win-win-Situation. Als Lehrkräfte haben nicht das Gefühl, dass sie sich auspowern und Perlen vor die Säue werfen, sozusagen. Und immer wieder Impulse geben, die aber zu nichts führen in diesem Dienstleistungsbetrieb. Schüler kommen miteinander in Kontakt, kommen in eine andere Art des Lernens, wo sie sich individuell entwickeln, aber auch in dieser sozialen Lerndynamik irrsinnig profitieren. Die Musikschule brummt, die Gemeinde wird bereichert dadurch. Und unsere Ressourcen schonen wir auch damit.
00:08:39: Kristin Thielemann: Das klingt doch mal richtig gut, so wie es sein muss.
00:08:42: Peter Röbke: So einfach. So einfach ist das.
00:08:44: Kristin Thielemann: Wo wir jetzt gerade schon mal da sind Ich bin ja auch ein Fan von offenen Räumen, wo man ja auch so Instrumente teilen kann mit anderen. Das muss jetzt vielleicht nicht unbedingt die Blockflöte sein, aber es gäbe ja durchaus Instrumente, die sich sehr, sehr gut teilen ließen und die dann eben nicht jeder zu Hause haben muss. Also teilen, statt dass es sich jeder anschaffen muss. Und da sind wir natürlich dann auch gleich wieder bei den finanziellen Ressourcen von Familien, die damit geschont werden. Weil die Frage ist, nur weil du willst, dass dein Kind ein Musikinstrument lernt, muss denn wirklich jede Familie ein E-Piano kaufen? Oder eben die E-Gitarre oder das... ja, weiß ich auch nicht... Ich meine, es könnten ja auch andere Instrumente sein. Ist aber die würden sich jetzt ja mal anbieten. Ein Schlagzeug vielleicht noch, aber diese Instrumente würden sich ja natürlich immer speziell anbieten. Wenn du so eine Art offenen Überraum machst, wo du eben auf den Instrumenten auch direkt vor Ort üben kannst. Funktioniert ja bei einer Orgel auch, haben ja die allerwenigsten Leute zu Hause bei sich im Wohnzimmer stehen so ein Ding. Und ich meine, dann kann man ja als Eltern auch sagen: Hey, wir sind hier in dieser Musikschule, du gehst in diese Musikschule, du lernst da dein Instrument, aber da ist auch ein Raum und da steht auch dein Instrument drin. Da gibt es auch vielleicht Leute, die kümmern sich um dich direkt, wenn du da übst. Das ist vielleicht nicht dein Haupt-Instrumentallehrer, dein Hauptinstrumentallehrerin, sondern das ist einfach jemand von der Musikschule, der dir aber auch beim Üben hilft. Das macht es ja dann im Familienalltag auch schon mal gleich viel leichter. Und dann hast du da in der Musikschule direkt so eine Art... Ja, weiß ich nicht... Musizierwelt, Musizierkosmos, etwas, was du gleich mitbenutzen kannst.
00:10:13: Peter Röbke: Damit sprichst du ein bisschen an, was der Andreas Doerne da in seinem Musikhaus der Zukunft natürlich sehr dezidiert ausgeführt hat.
00:10:20: Kristin Thielemann: Ja, natürlich, ganz tolle Gedanken. Andreas Doerne war auch schon hier und das stelle ich natürlich auch gerne wieder in die Shownotes. Und auch das Buch Musikschule neu entdecken, erfinden... Keine Ahnung wie, Das findet ihr auf jeden Fall auch in den Shownotes.
00:10:33: Peter Röbke: Ja, das ist ein wunderbares Buch.
00:10:35: Kristin Thielemann: Eine 10/10, wie man heute sagt.
00:10:37: Peter Röbke: Ja, und das macht natürlich auch deutlich, das haben wir auch jetzt in dem Projekt gelernt, dass alle diese Dinge kein Luxus sind oder keine Zutat, sondern Sie sind im Kern Teil des pädagogischen Konzepts. Das Haus, die Räume eben auch. Dieser Überraum, den du da beschrieben hast, ist Teil des pädagogischen Konzepts der Musikschule und nicht etwas Äußerliches oder Sekundäres.
00:10:58: Kristin Thielemann: Und dann hast du die Musikschule natürlich auch gleich für ganz andere Menschen geöffnet, die sie sonst vielleicht sich nicht leisten können oder sie nicht betreten würden.
00:11:06: Peter Röbke: Richtig. Ja, damit komme ich persönlich zurück zu meinen Anfängen in Berlin-Wedding, wo eben, was ich vorhin gesagt habe, ganz klar war: Die Kinder, die ich auf dem Wedding in die Musikschule hole, die werde ich mit dem Üben nicht allein lassen, weil sie zu Hause unter sehr beengten Wohnverhältnissen leben, mit sehr beengten Wohnverhältnissen leben und teilweise gar nicht die Möglichkeiten haben, konzentriert zu üben. Also war für uns im Wedding damals klar: Wir müssen Unterrichtsmodelle finden, wo wir auf jeden Fall die Kinder zweimal in der Woche in der Musikschule haben. Ja, und nicht nur einmal. Dann ging es mal los. Ja, also es hat auch eine Konsequenz in der Frage Musikschule für alle sich zu öffnen. Wirklich für alle.
00:11:44: Kristin Thielemann: Und was man natürlich auch mal sehen muss, ist unser Ganztagsförderungsgesetz. Nämlich, dass viele Kinder heute schon. Hm, wie soll ich das sagen? Dass viele Kinder heute schon mehr Wachzeit in öffentlichen Einrichtungen als zu Hause verbringen und somit natürlich auch darauf angewiesen sind, dass wir als Musikschule auch ja Gefäße bieten, die ihnen ermöglichen, dass sie bei uns das tun, was sie früher zu Hause gemacht haben oder hätten machen sollen, nämlich üben. Weil wenn du abends nach einem langen Schultag heim kommst, dann hast du vielleicht auch nicht mehr so ganz viel Lust, da jetzt noch viel zu üben. Vielleicht hast du noch Lust, ein bisschen zu musizieren, aber so richtig üben? Weiß nicht.
00:12:26: Peter Röbke: Ja, da ist dann vielleicht ein bisschen müde abends. Ja. Die Dinge müssen integriert werden.
00:12:31: Kristin Thielemann: Ich meine, wir können ja noch lange die ausgefeiltesten Methoden und Gamification-Elemente und -Methodiken finden. Wenn es einfach keinen Zeitraum und keine Gelegenheit fürs Üben gibt. Ja, dann müssen wir uns auch nicht wundern, wenn nicht geübt wird.
00:12:47: iMikel: Dieser Podcast wird gesponsert von der professionellen Musikschulverwaltungslösung iMikel, die perfekte Software für deine Zukunft mit integriertem Chatbot und KI-Assistent. Stell dir vor, du kannst mit ihm Michael sprechen und sagst einfach nur Zeige mir alle Schüler, die älter als 30 sind und erstelle eine Statistik und der KI-Assistent erledigt das für dich mit iMikel hebst du deine Musikschule auf ein völlig neues Level. Über 270 Musikschulen setzen auf iMikel. Wir freuen uns auf dich und wünschen weiterhin viel Spaß im Podcast!
00:13:25: Peter Röbke: Ich hoffe, es ist einigermaßen anschaulich geworden, welchen Weg wir da gegangen sind.
00:13:28: Kristin Thielemann: Ja.
00:13:29: Peter Röbke: Und es wirft auch ganz andere Fragen auf. Ich habe zum Beispiel, wenn ich das kurz sagen darf ich habe einfach viel mit den Menschen geredet. Ich habe hospitiert im Unterricht, ich war bei allen Konzerten und Klassen haben, denn ich habe unterm Strich glaube ich, weit über 20 so ganz tiefgehende Gespräche geführt und habe in den Hospitationen in den Gesprächen eine zunehmende Demut entwickelt vor der unglaublichen Kompetenz meiner Kolleginnen und Kollegen dort, vor ihrem Handlungswissen, was sich in ihrem Können zeigt und was, wenn man das so ein bisschen wissenstheoretisch sieht, ja ganz oft auch damit zu tun hat, dass das ein implizites Wissen ist. Also der, der... Die wirklich gute Musikschullehrkraft die Macht in dieser Tausendstelsekunde, wo sie im Unterricht Entscheidungen trifft, in welche Richtung sie geht, wie sie feststellt, ob sie verstärkt welchen Impulse setzt, ob sie selber vorspielt oder nicht vorspielt. Keine Ahnung. Es sind ja in jeder Stunde tausende Entscheidungen zu treffen. Sie macht das nicht, weil sie jede Entscheidung jetzt rational herleitet oder wissenschaftlich begründen kann oder irgendwas.
00:14:31: Kristin Thielemann: Das ist das pädagogische Bauchgefühl.
00:14:34: Peter Röbke: Ja, das implizite Wissen der letzte der Könnerin und des Könners. Also es gibt einen Linzer Professor, der sich sein ganzes Leben mit dem Professionswissen von Lehrkräften beschäftigt hat, und der Georg Hans Neuweg auch in die Shownotes.
00:14:47: Kristin Thielemann: Ja, kommt.
00:14:49: Peter Röbke: Der hat also ein Buch veröffentlicht mit Vorträgen und der erste Vortrag in diesem Buch ist also 30-40 Seiten eine eine Quelle der Einsicht, was Handlungswissen wirklich ist und warum es auch dem Könner und der Könnerin oft gar nicht bewusst ist. Aber es ist vorhanden! Und dieses Buch hat den schönen Titel "Das Schweigen der Könner". Du merkst natürlich, dass wir da auf einen berühmten Filmtitel anspielt: "Das Schweigen der Könner". Und was in dem Projekt gemerkt haben, ist, dass die Könner und Könnerinnen eine irrsinnige Lust haben, über ihren Unterricht zu reden und auf diese Weise quasi ihr verborgenes stummes Wissen nach außen zu bringen und auch in eine Situation zu kommen, wo sie dann drüber reden und merken: Ui, das mache ich also. Also es wird expliziert. Dadurch wird es ihnen bewusster, sie kriegen ein Feedback dafür und dadurch entstehen auch wieder neue Handlungsoptionen.
00:15:48: Kristin Thielemann: Das hast du ja auch oft in Fortbildungen oder auch manchmal im Podcast, wenn wir irgendwie Musikpädagogisches Quartett machen mit Kolleg:innen aus den Musikschulen. Dass da Leute zu Gast sind, die über ihren Unterricht sprechen. Und man stellt dann Fragen und leistet dann in irgendeiner Form Geburtshilfe für die Ideen, die eigentlich längst da sind, die sie aber noch nie formuliert haben. Ja, und das Schöne: Davon profitiert dann ja auch wieder die Allgemeinheit, die das hören kann.
00:16:13: Peter Röbke: Also, sie wissen oft nicht, was sie wissen. Und wenn man... Wenn das dann nach draußen kommt und das sich mit dem Wissen anderer Könner und Expertinnen verbindet oder so entsteht Entwicklung. Ich glaube auch das ist die ideale Form von Weiterbildung. Also immer auch immer dieses Wissen anzuknüpfen und erstmal dafür zu sorgen, dass das raus kann.
00:16:31: Kristin Thielemann: Ja, da kann man natürlich bei Fortbildungen schon echt eine Menge mit machen.
00:16:35: Peter Röbke: Ja, ja, ja, aber da ist noch, da ist noch großer Klärungsbedarf und großer Nachdenkbedarf. Also wie du an dieses Wissen herankommst an der Musikschule ist die klassische Ort, wo ansatzweise dieses Wissen expliziert und geteilt wird. Der Kopierer?
00:16:49: Kristin Thielemann: Ja, der Kopierer. Ausgerechnet! Natürlich wieder!
00:16:52: Peter Röbke: Na ja, das ist so die Situation, die die Kollegin. Ja, du hattest vorhin das schreckliche Beispiel, dass du eine komplette Instrumentalschule kopiert wird. Aber du siehst, dass da jemand irgendwie ein interessantes Stück hat oder irgendwie eine interessante Übung. Du schaust da drauf und sagst: Kannst du mir das bitte auch kopieren? Was machst du denn da eigentlich oder so? Das sind so oft Momente der Einblicke in das methodische Rüstzeug und Handwerkszeug der Kollegin next door.
00:17:14: Kristin Thielemann: Ja, ja, stimmt schon.
00:17:15: Peter Röbke: Von der du aber eigentlich nicht weißt, weil du eine Wand dazwischen ist, wo man üblicherweise sich nicht über Unterricht austauscht. Nee.
00:17:20: Kristin Thielemann: Das ist natürlich schon was dran, Peter. Aber mein großer Wunsch wäre ja, dass der Raum zum Austausch die Teeküche ist und nicht mehr der Kopierer.
00:17:28: Peter Röbke: Ja, im Zweifel wäre ich auch für die Teeküche. Ich darf ja nur ein Beispiel geben. Das war auch ganz lustig zu sehen, diese Kollegin, die dieses Klassenrepertoire aufbaut, die die Anfänger und die die Experten miteinander spielen lässt, die aber dann auch mit dem Repertoire, was sie hat, improvisiert und und sich immer neue Arrangements ausdenkt und so also das ist ein ganz kreativer Prozess, das ist die hämmert nicht nur die Stücke in das in das Hirn der Schüler, sondern die machen was damit mit diesem Repertoire. So. Im Nachbarraum ist ein Gitarrist, mit dem ich auch im Kaffeehaus gesessen bin, über seinen Unterricht zu reden und der mir sagt: Jetzt muss ich dir mal was sagen, Peter. Die Blockflöten nebenan, weißt du was?
00:18:06: Kristin Thielemann: Lass mich raten, die spielen immer das Gleiche!?
00:18:08: Peter Röbke: Immer die gleichen Stücke. Wie langweilig ist das? Ja, weil er hat nie mit der Kollegin geredet, warum sie das tun, was der Sinn ist. Des Aufbaus eines Klassenrepertoires. Und da denkst du dir: mein Gott, wo sind die Orte, wo er sich austauschen kann und wo das auch selbstverständlich ist, sich auszutauschen? Und dass er nicht nur angewiesen ist auf das, was er durch diese Wand hört und wo er dann einen völlig falschen Eindruck kommt.
00:18:32: Kristin Thielemann: Na ja, voll.
00:18:33: Peter Röbke: Also das ist, das ist ein anderes Thema, was da jetzt ganz groß geworden ist. Wie kriegen wir jetzt in der Musikschule so eine Lerndynamik unter den Lehrkräften hin?
00:18:40: Kristin Thielemann: Na ja, für unseren Austausch war ja auch immer wenig Raum und auch Fortbildung sind ja oft zeitlich knapp bemessen.
00:18:47: Peter Röbke: Freund von mir, der ist Unternehmensberater im gemeinnützigen Bereich. Der gebraucht immer das schöne Wort von der Wissensallmende.
00:18:54: Kristin Thielemann: Wissensallmende. Das ist in der Tat schön.
00:18:57: Peter Röbke: Allmende ist der mittelalterliche Acker im Dorf, wo die Bauern ihre Kühe gemeinsam darauf getrieben haben. Und er sagt Wissen ist ein Gut, das man teilen muss, so wie Wasser oder Gesundheitsversorgung oder so. Und Wissen ist ein Gut, was ich durch das Teilen vermehrt. Also du verlierst nichts, wenn du dein Wissen teilst, sondern es wird insgesamt mehr.
00:19:16: Kristin Thielemann: Also insofern ist ja ein Podcast eine nachhaltige Form der Weiterbildung.
00:19:19: Peter Röbke: Absolut ja. Und er sagt immer: Wir müssen die... Wir müssen lernen, die Wissensallmende gemeinsam zu bewirtschaften. Also wie bewirtschaftet die Musikschule die Wissensallmende? Mit diesem ganzen Handlungswissen und diesem ganzen Könnertum ihrer Lehrkräfte.
00:19:35: Kristin Thielemann: Das sollte ja dann jetzt auch vielleicht einfacher werden. Jetzt wo wir das Herrenberg-Urteil hinter uns haben und die aller allermeisten Lehrkräfte ja dann auch jetzt mittlerweile fest angestellt sind.
00:19:45: Peter Röbke: Ja, weil man auch sagen kann, dass der Austausch von Wissen ist jetzt auch wirklich Teil des Jobs und nicht wie bei Honorarkräften, du sollst hier nur deinen Unterricht... Kristin, das ist die ganze Zeit, wenn wir reden über soziale Dynamik in Klassen, über flexible Unterrichtsformen, Verbindung, Unterricht, Ensemblearbeit. Das sind ja alles Dinge, die eigentlich nicht zum Stellenprofil einer Honorarkraft gehören. Ja, klar. Also dass die Basishonorar ist ja, ist ja mit dafür verantwortlich, dass man denkt, ich liefere dann meinen Unterricht ab und das war's.
00:20:16: Kristin Thielemann: "Ja, das war's dann jetzt, zu Ende. Vielen Dank fürs Mitmachen. Bis nächste Woche!" Na ja, man spürt ja jetzt auch in den Musikschulen, dass da wirklich so eine Lust auf Veränderung jetzt auch da ist.
00:20:26: Peter Röbke: Ja.
00:20:27: Kristin Thielemann: Ja, auf so eine richtig nachhaltige Veränderung, auf Weiterentwicklung, auf Verbesserung, auf die Integration neuer Welten und jetzt nicht mal mehr nur bezogen auf das Ökologische. Sinnvoller meine Musikschule aufstellen. Sowas was du angesprochen hattest mit Photovoltaik, mit Elterntaxis, Instrumenten-Sharing, sondern wie kann ich meine Musikschule so nachhaltig aufstellen, dass sie noch viel, viel stärker in die Gesellschaft hineinwirkt und hier für alle Menschen Gutes vollbringen?
00:20:56: Peter Röbke: Absolut. Das heißt Conclusio: Letztlich gibt es einen innigen Zusammenhang zwischen pädagogischer Nachhaltigkeit, sozialer Nachhaltigkeit und ökologischer Nachhaltigkeit.
00:21:05: Kristin Thielemann: Ach, was für ein schönes Schlusswort, Peter. Ich glaube, das kriegen wir nicht getoppt. Echt? Naja, du vielleicht schon, aber ich nicht.
00:21:11: Peter Röbke: Na ja.
00:21:13: Kristin Thielemann: Das war echt toll! Ja, vielleicht kann ich das noch irgendwie hinterher schieben, denn eigentlich wollte ich dich noch was fragen. Ja. Wenn du dir jetzt eine Musikschule im Jahr 2040 vorstellst oder vielleicht auch schon 2030, wie sähe denn so eine wirklich nachhaltige Musikschule für dich aus? So wie bei den Wolkersdorfern mit einem Schloss vor den Toren der Stadt, mit einem ÖV, der dahin fährt. Mit gemütlichen Räumen oder sogar noch größer, dass man noch viel größer denkt und vielleicht auch noch mehr Menschen aus der Region mit einbindet und sagt: Wir möchten da wie so eine Kantine haben, in der alle Menschen willkommen sind. Eine Musikschule, in der es so flexible Angebote für alle gibt. Alle auch außerhalb eines Hochleistungsgedankens. Aber wo Hochleistung eben auch ein ganz normaler Bestandteil des Unterrichts ist und eben auch genauso nichts Besonderes wie das ganz normale alltägliche Musik machen. Wo Eltern nicht nur das Elterntaxi und das Publikum beim Musikschulkonzert sind und alle Menschen aus der Region spüren: Hey, die Musikschule, das ist wirklich unsere Musikschule, das ist unser kultureller Nahversorger, das gibt uns was zurück und bereichert unsere Region.
00:22:26: Peter Röbke: Jetzt hast du deine Frage eigentlich schon selber beantwortet, Ich kann mich da allem anschließen, was du gerade eben gesagt hast. Und vielleicht muss man noch eins sagen weil ich jetzt immer wo Wolkersdorf rede und es gibt ganz viele Wolkersdorfs in Österreich auf jeden Fall also ganz viele Musikschulen, die wirklich fast im Zentrum des Gemeindelebens sind, ganz viele Musikschulen, die Gebäude haben, die als Treffpunkt fungieren. Also was er, der VdM auch schon seit Jahrzehnten postuliert. Reinhart von Gutzeit, damals der Kongress Treffpunkt Musikschule oder so? Ja und auch eben Musikschulen, die ja im kulturellen Leben der Gemeinde ganz präsent sind.
00:23:07: Kristin Thielemann: Ja, und auch in Deutschland gibt es schon viele Musikschulen à la Wolkersdorf.
00:23:12: Peter Röbke: Wenn ich das noch kurz hinterherschieben darf. Ich habe manchmal so Zweifel gehabt in diesen Jahren, ob ich eigentlich meine alte Agenda verfolge, die schon als Musikschulleiter verfolgt habe und dann als Universitätsprofessor. Und jetzt klebe ich noch so Nachhaltigkeit, also ein ökologisches Nachhaltigkeits-Pickerl drauf. In Österreich ist das ein Etikett. So, und dann habe ich. Wir haben ja, wie gesagt, mit der Universität für Bodenkultur zusammengearbeitet. Nicht nur bei dieser Erhebung der Fahrkilometer, sondern auch bei weiteren Schritten. Und ich habe denen gesagt Leute, ihr seid die Experten für Klimapolitik. Mogel ich da irgendwie und verfolge das, was ich mein ganzes Leben verfolgt habe, als jemand, der bei Musikschule nachdenkt oder sie auch selbst entwickelt hat, der Studierende entsprechend ausrichtet auf diese Art von Musikschularbeit? Oder ist das tatsächlich? Ist das korrekt, dass ich das auch als ökologisch relevant irgendwie darstelle? Und dann haben die gesagt: Natürlich, die Auswirkung auf Ressourcenverbrauch ist ja zu beweisen. Und dann erschien ein großes Interview in der Wiener Stadtzeitung Falter von dem Sprecher des Österreichischen Panels dieses internationalen Klimarats. Und die haben so einen mehrhundertseitigen Bericht für Österreich vorgelegt und in dem Interview sagte: Wir müssen auch ganz stark über das Verhalten der Menschen nachdenken.Ha, Suffizienz!
00:24:28: Kristin Thielemann: Da ist sie wieder!
00:24:29: Peter Röbke: Und dann sagt er wörtlich im Interview: Jedes Wirtshaus, das ich in einem Dorf rette, ist ein Beitrag zum Klima. Ja, jedes! Jede Nahversorger, den ich rette. Deswegen rede ich auch bei Musik schon immer gern von Nahversorgung. Jeden Nahversorger, den ich rette, ist ist eine klimapolitische Maßnahme. Jede Bankfiliale, jeder Geldautomat, der noch da ist oder so? Ja. Also wenn die Dörfer aussehen, wenn die Stadt die Stadtkerne von kleinen Städten veröden, weil alle irgendwie in das Einkaufszentrum am Stadtrand fahren. Das sind ja alles Prozesse, die Ressourcen vernichten. Also Land vernichten, weil ich natürlich Boden brauche für diese Einkaufszentren, die aber auch die Stadt vernichten. Also was ist Schlimmeres als ein schönes altes Stadtzentrum, wo alle alle Geschäfte dichtgemacht haben oder so?
00:25:12: Kristin Thielemann: Aber weißt du, das einzig Schöne, was du jetzt vergessen hast, Peter?
00:25:16: Peter Röbke: Ja!?
00:25:16: Kristin Thielemann: Wenn dann ohnehin alle Innenstädte gleich aussehen. Und wenn ich die gleichen Filialen großer Ketten in Wien, München, Kopenhagen, Madrid, Mallorca oder Dubai finde! Dann kommt es nämlich auch nicht mehr drauf an, wo ich Urlaub mache, sondern kann ich auch einfach in die nächstgrößere Stadt fahren. Da gibt es dann nämlich in den gleichen Geschäften die gleichen Plastikklamotten aus Fernost.
00:25:35: Peter Röbke: Richtig. Richtig. Eben, eben, eben. Also insofern, dass die Musikschule diese Rolle spielt. Du hast es eben schön beschrieben, wie sich die Musikschule in 20 Jahren aus. Ja, und dass die Musikschule jetzt schon an vielen Orten diese Rolle spielt. Gott sei Dank! Ja, das ist genauso ein Faktor, wie dass du in einem Dorf ein Wirtshaus hast, wo die Menschen sich treffen, wo sie hoffentlich dann zu Fuß hingehen, was eh gut ist, wenn sie viel Bier getrunken haben, dass sie gut wieder nach Hause kommen. Ja, sicher. So, also, das ist einfach. Ja, da sind wir ganz am Anfang, dass das Leben wieder lebenswert wird in solchen Gemeinden. Dass sein Platz wieder belebt ist. Dass ich nicht für jedes Bedürfnis an den Stadtrand fahren muss, in irgendein riesiges Einkaufszentrum oder so, ne. Und da kommen wir wieder ganz an den Anfang. Harald Welzer. Es geht um das bessere Leben. Es ist ein besseres Leben, wenn ein Stadtkern lebt und nicht ausdünnt und verödet.
00:26:26: Kristin Thielemann: Und ich finde es auch gut, wenn Stadtkerne nicht überall gleich aussehen. Das muss ja nicht austauschbar sein. Genau wie Musikschulen ja auch nicht überall gleich aussehen, die gleichen Angebote haben und austauschbar sind.
00:26:37: Peter Röbke: Nein, natürlich.
00:26:38: Kristin Thielemann: Sondern das darf ja Besonderheiten haben und auch Unterschiede. Das ist ja sogar eine Bereicherung für unsere Szene, dass man anderen Orts schaut: Hey, was läuft da gut? Wäre das vielleicht was für mich? Wäre das nichts? Warum nicht? Können wir uns vielleicht zusammentun? Können wir uns austauschen? Könnten die Ideen, die anderenorts gut laufen, vielleicht in abgewandelter Form für unseren Ort auch eine Bereicherung sein?
00:27:00: Peter Röbke: Richtig, weil die Umgebung ja auch bestimmte Bedürfnisse artikuliert. Also mein Beispiel ist immer Niederösterreich. Da gibt es eine Musikschule in einer Gegend, Lilienfeld, wo die Musik spielt, das Waldhorn eine ganz große Rolle und das Jagdhorn eine ganz. Die haben ganz viele Jagdhorn-Gruppen. Da denkst du: Wie kommt denn das bitte? Weil man hat Streichorchester und Blockflötenfamilien und weiß ich nicht, was. Ja, Lilienfeld ist der waldreichste Bezirk Österreichs. Und da wird gejagt ohne Ende. Das kann man jetzt finden, wie man will. Die jagen hoffentlich nachhaltig und schießen nicht alles nieder. Ja, ja, aber da wird halt Jagdhorn geblasen. Hm. Also macht die Musikschule ein Jagdhorn-Angebot. Gut, so soll das sein? Ja.
00:27:39: Kristin Thielemann: Ja. Und dann machen sie aber hoffentlich einen Kurs, damit Menschen aus anderen Musikschulen, die nicht so ein potentes Jagdhornangebot haben, dann mal bei Ihnen zum Jagdhorn lernen kommen können. Vielleicht mit dem Fahrrad oder mit dem ÖV bei Ihnen vorbeikommen können, zu so einer besonderen Jagdhornwoche.
00:27:56: Peter Röbke: Also insofern eine Frage: Wie sieht Musikschule 2040 aus? Ich glaube, die Ansätze sind ja alle da. Die Keime sind ja alle da. Und die, diese tollen Lehrkräfte, die halt so flexibel arbeiten, sind alle da. Und was vielleicht noch ein Potenzial ist, darüber haben wir jetzt noch nicht gesprochen ist. Also insgesamt zu überlegen, wie sozusagen auch die Veranstaltung der Musikschule noch mehr ins Gemeindeleben reinkommen. Das geht los mit dem Klassenabend. Meine liebe Frau, die Bianka Wüstehube, die in Linz an der Uni ist, die hat schon damals in Berlin immer gesagt: Ich muss mein Klassenarbeit so machen, dass die Schüler auch kommen würden, wenn sie nicht selber spielen müssten. Das ist einer der klügsten Sätze überhaupt, was Klassenabende angeht. Bzw. Auch, dass ein Schüler, der heute Abend spielt, seine Freunde einlädt. Wer lädt denn seine Freundinnen und Freunde zum Klassenabenden ein? Da kommen Mama und Papa, weil sie müssen und vielleicht noch die Oma. Ja so, also Klassenabend, das sie spielen, kämen, auch, wenn sie nicht spielen müssten.
00:28:52: Kristin Thielemann: Ja, in Sachen Musikschulkonzerte war deine liebe Frau Bianka ja ein echter Augenöffner für mich im Studium, als ich das entdeckt habe, was sie dazu geschrieben hat. Also wirklich ganz grandios! Und Bianka Wüstehube war natürlich auch schon hier im Podcast zu Gast und zwar in Folge 52, nein in Folge 53 zusammen mit Natalia Ardila-Mantilla. Die Folge trägt den Titel "IGP für alle". Aber noch mal zurück zu den nachhaltigen Musikschulprojekten.
00:29:22: Peter Röbke: Dann übergreifende Projekte. Also mein Lieblingsbeispiel in Wolkersdorf ist der Klavierfachbereich. Die haben ja alle von Haus aus mit diesem Thema der Einzelhaft am Instrument zu tun. Das berühmte Buch von Grete Wehmeyer, war ja schon vor 30 Jahren. Die haben zweimal im Jahr das Kla4 und seine Freunde – Klavier mit vier geschrieben, Kla4 und seine Freunde. Und beim letzten Klassenstunde habe ich nachgerechnet, war der Klassenabend mit zwölf anderen Instrumentalklassen verbunden. Das heißt die, die Wochen davor finden ständig Proben statt in den Klavierklassen, den anderen in der Vorbereitung dieses gemeinsamen Klassenabends. Und du kannst dir vorstellen, wie voll es da ist, wie unendlich viel Menschen da sind und wie abwechslungsreich das Programm ist. Und da kommen dann auch nicht nur Mama und Papa. Dann. Da taucht dann plötzlich auch der Freund und die Freundin auf, irgendwie.
00:30:08: Kristin Thielemann: Ja, da ist dann Musikschule auch noch cool, wenn du ein Jugendlicher bist, richtig?
00:30:13: Peter Röbke: Nächster Schritt und das ist die Diskussion, die gerade angefangen hat. Wir nennen das in Wolkersdorf. Sollen wir nicht auch noch Konzert-Konzerte machen?
00:30:21: Kristin Thielemann: Konzert-Konzerte!?
00:30:22: Peter Röbke: Also Konzert-Konzerte.
00:30:23: Peter Röbke: Es gibt Musikschulkonzerte.
00:30:25: Kristin Thielemann: Ja, klar.
00:30:26: Peter Röbke: Und es gibt so, dass Lehrer im Konzert der Musikschule, weißt du. Und die Musikschule zeigt ihre Talente und das Konzert-Konzert streift das alles ab und sagt: Das ist einfach nur ein Konzert um des Konzertes Willen. Und da spielen tolle Schüler, da spielen tolle Lehrer, da spielen tolle Ehemalige. Aber wir fragen jetzt nicht nach dem konkreten Musikschulbezug. Das muss jetzt auch nicht moderiert werden: "Hier ist unser 17-jähriger Überflieger!" Das ist, was die machen miteinander ein tolles Konzert. Ja.
00:30:51: Kristin Thielemann: Ja, absolut. Weil wenn so ein Musikschulkonzert nämlich nur zur Leistungsshow, also zur reinen Leistungsshow ausartet, dann müssen wir uns auch nicht wundern, wenn da irgendwann niemand mehr daran teilnehmen möchte, außer die Schülerinnen und Schüler in der SVA.
00:31:04: Peter Röbke: Richtig. Richtig. Und das war damals im Wedding schon so. Es war streng verboten, ein Lehrerkonzert Lehrerkonzert zu nennen.
00:31:10: Kristin Thielemann: Ach so!?
00:31:11: Peter Röbke: Weil es hat immer diesen Unterton. Schaut mal, die Lehrer können ja auch spielen.
00:31:15: Kristin Thielemann: Ja, stimmt natürlich. Ja, Wenn du fleißig wärst, könntest du das vielleicht auch!
00:31:20: Peter Röbke: Sondern das Konzert machst du, weil du interessantes Thema hast. Interessantes Format wählst. Mhm. Weil du vielleicht auch musikvermittlerische Aspekte einbringst. Weil es einfach weil du weißt, da findet jetzt was Tolles statt. Ja, und darin sind Lehrkräfte beteiligt und Schüler:innen beteiligt. Und vielleicht auch Ehemalige, die inzwischen auf der Musikuni sind. Und die widmen sich gemeinsam dann dem Anliegen dieses Abends. Und das heißt im Augenblick bei uns so terminus technicus Konzert-Konzert im Unterschied zum Talentekonzert und zum Lehrerkonzert.
00:31:48: Kristin Thielemann: Super. Eine Schülerin von mir kam neulich in Unterricht und meinte: Ja, ich will dieses und jenes Stück spielen. Das ist in der neuen Ausgabe von dir drin – dem Trumpet World. Ich habe das... Ich will das spielen, weil ich dich damit auf YouTube gesehen habe und weil mich das so beeindruckt hat. Und ich dachte so: Hey, YouTube ist das neue Lehrer-Konzertformat, Lehrerinnen-Konzertformat.
00:32:08: Peter Röbke: Ja klar, das ist natürlich der Nebeneffekt. Also ich meine, wenn wir haben da ein Hornlehrer zum Beispiel in Wolkersdorf, der also international unterwegs ist und Orchestern spielt überall und so, und ich habe ihm gesagt Magst nicht mal Ligeti-Horntrio in Wolkersdorf spielen.
00:32:22: Kristin Thielemann: Okay, das ist ja mal eine Hausnummer!
00:32:23: Peter Röbke: Mit ein bisschen Einführung und so und ich weiß nicht, ob du Ligeti Horntrio kennst.
00:32:26: Kristin Thielemann: Ja, doch. Das ist schon ganz schön amtlich.
00:32:28: Peter Röbke: Es gilt als das schwerste Stück der Welt oder so. Ja, aber der Laurids kann das spielen auf die Hornpartie ist unfassbar oder so. Ja, und natürlich ist der Effekt, wenn die den Kollegen da auf den Drahtseilakt auf dem Drahtseil tanzen sie mit Ligeti, ist das inspirierend, dass man denkt: Wow, das kann man alles machen mit dem Horn oder so! Ja. Gleichzeitig ist es für ihn eine Herausforderung, das Konzert so zu gestalten, dass das nicht nur ein Konzert mit Neuer Musik ist, sondern dass da Zugänge geöffnet werden. Also Stichwort auch Musikvermittlung. Also da ist noch ein großes Potenzial und die Frage "Was ist 2040?" – ich stelle mir vor, dass noch viel mehr so diese Doppelidentität von Musiker:in und Pädagog:in ausgelebt wird.
00:33:08: Kristin Thielemann: Ja, das hoffen wir. Und ich glaube, da geht es auch wirklich hin.
00:33:11: Peter Röbke: Und dass man wirklich diese Konzert-Konzerte mehr in die in die Gemeinde einbringt und nicht die Talenteshow und das Lehrerkonzert.
00:33:20: Kristin Thielemann: Ja, aber auch, dass man keine Scheu hat, mit Kindern Kunst zu machen.
00:33:24: Peter Röbke: Ja, natürlich, natürlich.
00:33:25: Kristin Thielemann: Und auch Kinder können ja in sowas, was du jetzt Konzert-Konzert genannt hast, einbezogen werden. Ja. Warum muss es da immer so eine Trennung geben zwischen Schüler- und Schülerinnen-Konzerten und richtigen Lehrkräftekonzerten? Das finde ich irgendwie mühsam. Wir wollen Schranken abbauen, wir wollen Barrieren abbauen. Und genau da bauen wir sie dann wieder auf. Genau da exkludieren wir dann und das sollten wir nicht tun. Zumindest mal nicht immer.
00:33:51: Peter Röbke: Also da ist noch ein Potenzial, das nicht wirklich ausgeschöpft ist.
00:33:55: Kristin Thielemann: Ja, Nachhaltigkeit ist echt ein großes Thema.
00:33:58: Peter Röbke: Peter, absolut. Aber wie gesagt, es geht nicht um irgendeinen Verzicht, Askese oder schlechtes Gewissen. Es geht darum, Musikschule noch besser zu machen.
00:34:09: Kristin Thielemann: Hey, noch ein unglaublich schönes Schlusswort. Ich danke dir für das Gespräch, lieber Peter. Das war jetzt doch etwas länger als es beabsichtigt war, aber hat sich so ergeben.
00:34:19: Peter Röbke: Ich danke dir auch für die Einladung und für diese wunderbaren 80 Minuten.
00:34:23: Kristin Thielemann: 80 Minuten!
00:34:24: Kristin Thielemann: Was ich wohl damit machen werde? Uh... das ist eigentlich für unser normales Format ganz schön over the top. Das habe ich nur mal bei der Bundeskongress-Folge gerissen, glaube ich.
00:34:34: Peter Röbke: Wobei "Fest und Flauschig" von Böhmermann und Olli Schulz haben auch immer 90 Minuten.
00:34:38: Kristin Thielemann: Du hörst "Fest & Flauschig" von Jan Böhmermann und Olli Schulz? Jedenfalls, ich sag dir ganz, ganz lieben Dank, Peter. Es hat mir sehr, sehr viel Freude gemacht, mit dir zu podcasten.
00:34:50: Peter Röbke: Das gebe ich zurück. Freude ist ganz meinerseits!
00:34:55: Kristin Thielemann: Das war der zweite Teil der Nachhaltigkeitsfolge mit Peter Röbke. Ich sag Euch ganz, ganz herzlichen Dank fürs Zuhören. Und zwar nicht nur fürs Zuhören bei dieser Folge, sondern "Voll motiviert", euren Musikpädagogik-Podcast, den gibt es jetzt, Stand Dezember 2025 schon mehr als fünf Jahre. Wir haben in diesem Jahr den fünften Geburtstag und die 60. Folge gefeiert. Und das alles, weil es euch gibt, ihr lieben Hörerinnen und Hörer! Und natürlich auch, weil es die Redaktion gibt, die mich immer wieder antreibt und mich motiviert, neue Folgen aufzunehmen. Und ein kleiner Insider - das könnt ihr als Publikum ja nicht wissen – ist, dass ich beim Entwurf der Folge, wenn ich es das erste Mal an die Redaktion schicke, ganz oft kleine Grüße an die Redaktion im Schlusswort verpacke. Kleine Grüße an die Redaktion, die dann hinterher wieder entfallen, wenn das offizielle Schlusswort reinkommt. Und ich finde, jetzt können doch diese lieben Grüße einmal drin bleiben. Also danke, liebe Redaktion! Danke, lieber Rüdiger Behschnitt, dass du dir seit über fünf Jahren so viel Arbeit mit diesem tollen Podcast machst. Danke! Das ist wirklich großartig von dir.
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